"Das große Kaffeehaus kennt jeder. Es ist ein Ort der Geschichte und Geschichten."

Fragt man im oberen Teil von Neo-Karlovassi nach der Taverne "Kerkis", erntet man oft ratlose Minen. Hätte man sich nach dem "Megale Kafeniae" erkundigt, wäre die gestikulierende Wegbeschreibung sofort erfolgt. Das große Kaffeehaus kennt jeder. Es ist ein Ort der Geschichte und Geschichten. Hier wurde in einem fernen Jahrhundert von Männern mit mächtigen Schnauzbärten die kommunistische Partei von Samos gegründet. Seither war das Lokal neben der Bischofskirche Mitropolis ein politischer Ort des Widerstandes und der demokratischen Zivilgesellschaft von Karlovassi. Unbeachtet der öffentlichen Wahrnehmung wurde es höchstwahrscheinlich aus trivialen Gründen in "Kerkis" umbenannt - was seinen verruchten und revolutionären Mythos in keiner Weise beeinträchtigte. Durch die großen Panorama-Fenster des hinteren Raumes hat man immerhin einen prima Blick auf den Kerkis. Der mächtige Berg ist oft wolkenverhangen, als grüble er noch über die wortreichen Dispute, die da unten in der namensverwandten Taverne geführt wurden.

 

Auch heute noch ist das Lokal eine unangefochtene Instanz, die von trinkfreudigen Nachbarn, hungrigen Handwerkern und kartenspielenden Rentnern verteidigt wird. All abendlich kommt der hagere Pope von der benachbarten Bischofskirche und schaut, was seine Gemeinde so treibt - ohne dabei den einen oder anderen "Koupa Krasi"* auszuschlagen.

 

links rechts

 

Im Kerkis ist man an Fremde gewöhnt - egal ob Professor der nahen Universität mit seinen Studenten, eine Zigeunerfamilie oder ein paar Feriengäste. Hauptsache alle halten sich an das unausgesprochene Gesetz dieser historischen Hallen: Es wird diskutiert, geraucht und gesoffen was das Zeug hält. Und gegessen wird natürlich auch. Jannis bietet auf einem handgeschriebenen Täfelchen mehrere Tagesgerichte, die er in seiner offenen Küche zubereitet. Natürlich auf Griechisch und statt einer Übersetzung ins Englische gibt es allenfalls ein freundliches Achselzucken. Um es charmant vorwegzunehmen: Die Greek-Salad-Fraktion wird im Kerkis nicht glücklich werden. Natürlich bereitet Jannis auch Salate zu, wenn er welchen hat. Das sind mal kleine Bohnen, Rote Beete, gedünsteter Wildspinat oder grob geraspelter Krautsalat. Dazu gibt es Kurzgebratenes, auch mal Kalbszunge oder leckere Innereien und allerlei Meeresgetier. Was auch immer Jannis Bruder Georgios mit seinem stoisch steifen Gang und dem unverwechselbaren Schalk im Gesicht an den Tisch bringt, ist einfach zubereitet und von bester Qualität. Eigentlich geht man aber nicht wegen des Essens in diese heilige Halle. Man kommt, um der abendlichen Aufführung einer griechischen Tragikkomödie beizuwohnen oder gar mitzuspielen. Die Regie führt wie immer das Leben und das Bühnenbild wird frei Haus vom Kerkis gestellt.

 

Tischreservierung und Vorbestellungen:

 

Jannis & Georgios Sebastakis

 

02273032126

 

 

Traditionell ist das Lokal am Sonntag geschlossen 

Photos by W. Schoendorf

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